Helenefriederike Stelzner, geb. Westmann

Allgemeines

Nachname:
Stelzner
Geburtsname:
Westmann
Vorname:
Helenefriederike
Geburtsdatum:
18.04.1861
Geburtsort:
Maierhof Spörnig (Böhmen)
Sterbedatum:
26.03.1937
Sterbeort:
Berlin
Kommentar zu den Lebensdaten:
Ob Julius Stelzner wirklich der Ehemann ist, kann nicht mit Gewißheit behauptet werden, Todesdatum u. Geburtsort weisen darauf hin
Konfession:
evangelisch
Beruf des Vaters:
Rittergutsbesitzer
Ehemann:
Stelzner, Julius
Kommentar zum Ehemann:
Exporteur von Produkten aus Baumwollsamenöl, geb. in Chemnitz, gest. am 03.03.1897 in Galveston, Texas im Alter von 43 Jahren

Ausbildung

Ausbildung und Schule:
Besuch des Freimaurerinstitutes in Dresden, anschließend Privatunterricht bei Hauslehrern, 1871 - 1877 höhere Töchterschule in Chemnitz, zw. 1877 und 1897 Eheschließung und nach dem Tod des Ehemannes private Vorbereitung auf das Abitur, Sept. 1897 Maturitätsexamen in Luzern
Studium: 1897 - März 1900 Medizinstudium in Zürich, Okt. 1898 naturwissenschaftliche Vorprüfung, Okt. 1899 anatomisch-physiologische Vorprüfung, März - Oktober 1900 Besuch der Universitätskliniken in Berlin, 03.11.1900 Physikum in Halle a. Saale (nach dem Bundesratsbeschluß 1899), Okt. 1900 - 1902 Medizinstudium in Halle, 01.07.1902 Staatsexamen in Halle
Ort des Staatsexamens:
Halle a. S.
Datum des Staatsexamens:
01.07.1902
Ort der Promotion:
Halle a. S.
Datum der Promotion:
16.07.1902
Datum der Approbation:
1902

Beruf

Fachbezeichnung:
Schulärztin (1905), Ärztin für Nervenkrankheiten und Elektrotherapie (RMK 1905), Internistin (RMK 1933, 1937)
Art der Tätigkeit:
1902-03 Volontärin an der chirurgischen Klinik bei Prof. Bramann in Halle und im städtischen Krankenhaus am Urban in Berlin
1903/04 erste Volontärassistenin an der Charité, Psychiatrische Kliniken, in Berlin
am 01.05.1905 als erste Schulärztin in Charlottenburg eingestellt
1905, 1906, 1908, 1914, 1926/27, 1929, 1931, 1933, 1935 niedergelassene Ärztin in Berlin
ab. 01.04. 1905 Anstaltsärztin am Magdalenenstift (Fürsorgeerziehungsanstalt für Mädchen) in Berlin-Teltow
1911/12 Gutachterin am Jugendgerichtshof in Berlin
1911 Mitleiterin von Ziegelroths Privatklinik in Krummhübel/Provinz Schlesien
1915-17 Lazarettärztin in Innsbruck
niedergelassene Ärztin bis zu ihrem Tode
1937 ohne Praxis in Berlin
Kommentar zur Tätigkeit:
Helenefriederike Stelzner war eine von den frühen Medizinstudentinnen, die sich an der öffentlichen Diskussion über das Frauenstudium beteiligten. In ihrem 1903 in der Münch. Med. Wschr. abgedruckten Leserbrief "Stellung der Frauen zu den Frauenuniversitäten" erwähnt sie zwei weitere eigene Publikationen: "Frauenuniversitäten" (Der Türmer, Mai 1899), und " Dokumente der Frauen" (Separatdruck, Wien 1899). Stelzner sprach 1909 auf einer Veranstaltung der deutschen Zentrale für Jugendfürsorge "im Auftrag des Psychiaters der Universität Geh. Rat Ziehens zugunsten der Fürsorge für psychisch abnorme Kinder".
Anläßlich der Ausstellung "Die Frau in Haus und Beruf" führte sie zusammen mit M. Breymann eine Umfrage über die berufliche Situation der Ärztinnen in Deutschland durch, die 1912 in der Dtsch. Med. Wschr. veröffentlicht wurde. Sie stellten fest, daß sich bis zu diesem Zeitpunkt 69 Ärztinnen in Deutschland niedergelassen hatten, davon 42 mit Allgemeinpraxis und 27 als Spezialärztinnen, darunter wiederum 11 als Frauenärztinnen, fünf mit den Fächern Psychiatrie und Neurologie und vier als Kinderärztinnen, in den übrigen Fächern jeweils nur eine oder zwei. Insgesamt schätzte H. Stelzner 1912 die Verhältnisse als "recht günstig" für die Frauen ein. In ihrem 1904 erschienenen Artikel in der Dtsch. Med. Wschr. betonte sie die besondere Eignung der weiblichen Ärzte für die Arbeit in der Psychiatrie. Gegenüber den männlichen Ärzten zeichneten sie sich durch die Fähigkeit des unmittelbaren Verstehens, des mütterlich umsorgenden Verhaltens gegenüber den Patientinnen aus. Sie ging von einem auf Beobachtung beruhenden Verständnis des "physiologisch sich nicht Verstehen(s) der Geschlechter" aus, und hielt männliche Ärzte für unfähig, die Äußerungen der weiblichen Patienten zu verstehen. Allgemein fand im Bereich der Psychiatrie die Forderung nach weiblichen Ärzten eine besondere Ausprägung. In einem 1913 erschienenen Aufsatz kritisierte sie die Schwierigkeiten, die den Ärztinnen in ihrer beruflichen Laufbahn in den Weg gelegt wurden.
1927 stand sie auf der Vorschlagsliste des Groß-Berliner Ärztebundes für die Wahlen zur Berliner Ärztekammer, wurde in die Ärztekammer gewählt
Sie gehörte zu den Mitunterzeichnerinnen einer 1930 von Berliner Ärztinnen verfaßten Eingabe zur Änderung des § 218 an den Reichstag und an den Strafrechtsausschuß des Reichstages.
Neben frauenspezifischen Themen war es vor allem ihre schulärztliche Tätigkeit, mit der sie sich aus sozialmedizinischer-psychiatrischer Sicht auseinandersetzte.
Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit hielt sie u.a. 1913 in der Gesellschaft für soziale Medizin einen Vortrag über die schulärztliche Tätigkeit an höheren Schulen. Die von ihr verfassten Monographien fanden in den Buchbesprechungen der Fachzeitschriften Beachtung
Sie war das erste weibliche Mitglied im Deutschen Verein für Psychiatrie. Seit 1913 wird sie als einziges weibliches Mitglied unter 620 Kollegen im Mitgliederverzeichnis des Vereins geführt (Fehlemann u.a. 2017)
Tätigkeitsorte:
1902/03 Halle und Berlin
1903/04 Berlin, Charité, Dorotheenstr. 36
1905, 1906, 1908 Berlin, Kantstr. 22
mind. 1907 Magdalenenstift, höhere Lehranstalt für Mädchen
1911 Krummhübel/Prov. Schlesien
1915-17 Innsbruck
1914, 1926/27, 1929, 1931, 1933 Berlin-Charlottenburg, Kantstr. 22
1935, 1937 Berlin-Zehlendorf, Teltower Chaussee 108 (1937 keine Praxis)
Haupttätigkeitsort:
Berlin
Mitgliedschaften:
Berliner Medizinische Gesellschaft (seit 1903), hier Mitglied der Aufnahme-Kommission für 1922
Deutscher Verein für Psychiatrie (ab 1913)
Verein Krankenhaus weiblicher Ärzte e. V. (1914)
Ausschuß Groß-Berliner Ärztinnen zur Stellungnahme gegen § 218 StGB (1930)
Verein der Schulärzte Deutschlands (1909)
Deutscher Verein für Schulgesundheitspflege (1909)
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik (1913)
Groß-Berliner Ärztebund (1927)

Literatur

Quellen und Sekundärlitertur

Quellen:
Lebenslauf (Diss.)
New York Times v. 04.03.1897, orbituary notes
Die Frau 10 (1902/03), S. 118, 15 (1907/08), S. 336 ff.
Verh. d. Berl. Med. Ges., 1903, Bd. 34 (1904), Mitgliederverzeichnis, 1904, Bd. 35, 1905, Mitgliederverzeichnis, 1922/23, S. XI
Jahresverz. d. a. d. dtsch. Univ. ersch. Schriften 1902
Deutsche med. Wochenschrift 28 (1902), S.9836
RMK 1904, 1905, 1906, 1908, 1911, 1914, 1926/27, 1933, 1937
Wiener Klin. Wschr. 20 (1907), S. 703
"Gartenlaube" Nr. 38 (1908)
Gesunde Jugend. Zschr. f. Gesundheitspflege in Schule und Haus 9 (1909), S. 200
Med. Reform 17 (1909), S. 76-78), 9 (1901), S. 131-133, 21 (1913), S. 244, 22 (1914), S. 22, 41, 49, 183
Österr. San. Wes. 25 (1913), 1044/1045
1. Jahrb. d. Vereins Krkhs. weibl. Ärzte, 1914, S. 14
Berliner Ärzte-Correspondenz 32(1927), 426, 510
Dtsch. Ärztebl. (1930), S. 303
Mschr. Dtsch. Ärztinnen 6 (1930), S. 138
Dtsch. med. Wschr. 57 (1931), S. 1944
Ärztebl. Berlin 42 (1937), S. 28 f.
Gemkow, Ärztinnen und Studentinnen, 1991, S. 347
Ziegeler, B., 1993, S. 12, 14, 25, 28, 32, 35, 36, 122
Mohme, Wiebke: Der Eintritt von Frauen in den Arztberuf im Spiegel der Zeitschrift "Medizinische Reform" 1893-1918. Berlin, FU, Med. Diss. v. 20.12.1996
Bleker, Johanna: Stelzner, Helenefri(e)derike. Neue Deutsche Biographie. Bd. 25, Berlin 2013, S. 239-240
Fehlemann, Silke u.a. : 175 Jahre psychiatrische Fachgesellschaften in Deutschland. Berlin 2017, S. 10

Eigene Publikationen

Publikationen:
Die Ärztin (Med. Reform 9 (1901), S. 131-133)
Stellung der Frauen zu den Frauenuniversitäten (Münch. Med. Wschr. 50 (1903), S.1469/50)
Die Frau als Irrenärztin (Dtsch. med. Wschr. 30 (1904), H. 43, S. 1582-1583)
Ein atypischer Fall von Bulbärlähmung ohne anatomischen Befund (aus der Psych. u. Nervenklinik der Charité). (Münch. Med. Wschr. (1907), S. 887)
Analyse von 200 Selbstmordfällen, Berlin, Karger 1906, Rezension Kargers (Wien. Klin. Wschr. 20 (1907), Nr. 23, S. 703)
Was wird aus den psychopathisch abnormen Kindern der unteren Stände ? (Separatabdruck aus : Jugendfürsorge 8 (1907) Heft 10 (Die Frau 15 (1907/08, S. 336f)
Die Hygiene der Entwicklungsjahre ("Gartenlaube", Nr.38, 1908, S.38, Die Welt der Frau)
Die psychopathischen Constitutionen und ihre sociologische Bedeutung, Berlin 1911
Der weibliche Arzt, nach gemeinsam mit Dr. Margarete Breymann gepflogenen statistischen Erhebungen (Dtsch. Med. Wschr. (1912), S. 1243 ff u. 1290 ff)
Resultate und Dauererfolge bei 80 Fällen von vaginalen Totalextirpationen bei Prolaps, aus den Kliniken von Basel und Halle. Halle, Diss. Med. v. 16.07.1912
Fürsorge- und Zwangserziehung. Handwörterbuch der Sozialen Hygiene. Bd. 1, A-K, Leipzig 1912, S. 365-376)
Die psychiatrische Tätigkeit des Schularztes (Zschr. f. d. Erforschung u. Beh. d. jug. Schwachsinns, Bd. 5(1912), S. 457ff.)
Schulärztliche Tätigkeit an höheren Schulen mit besonderer Berücksictigung psychiatrischer Beobachtungen (Med. Klinik 9(1913), Nr. 23, S. 234ff.)
Die psychiatrische Tätigkeit des Schularztes an höheren Schulen mit besonderer Berücksichtigung der daselbst beobachteten Schwachsinnsformen (Zschr. f. d. Erforschung u. Behandlung des jugendlichen Schwachsinns auf wiss. Grundlage 5(1912), 457-493)
Schulärztliche Tätigkeit an höheren Schulen unter besonderer Berücksichtigung psychiatrischer Beobachtungen (Halbmsch. soz. Hyg., Bd. 21 (1913), S. 244 und Med. Reform 21 (1913), S. 244-249, 323-325)
Ärztin. Eugenie von Soden (Hg.): Das Frauenbuch. Frauenberufe und -Ausbildungsstätten, Stuttgart 1913, S. 82-86
Gesundheitsliebe und Kinderpflege (Monographie, ca. um 1900, vgl.: Med. Reform 21 (1913), S. 169)
Die Frühsymptome der Schizophrenie in ihren Beziehungen zur Kriminalität und zur Prostitution der Jugendlichen (Allgem. Zschr. Psychiatrie Bd. 71 (1914), H. 1/2) (Münch. med. Wschr. 1914/1006)
Aktuelle Massensuggestion. (Arch. Psychiatr.,(...), 55 (1915), S. 365 - 388.)
Die Kriegsverwendungsfähigkeit der psychisch Abnormen. (Aus dem k.k. Militärhospital Troppan) (Arch. Psychiatr. (...), 56 (1916), S. 880 - 898)
Schulhygiene und Kriegskinder (Med. Reform 23 (1917), S. 193/4, 201/2)
Erschöpfungspsychosen bei Kriegsteilnehmern mit besonderer Berücksichtigung der Dämmerzustände. (Arch. Psychiatr. (...), 57 (1917), S. 796 - 846)
Zur Kenntnis der Gift- und Nutzpilze. (Berl. klin. Wschr. Nr. 41, 1918 ) (Münch. med. Wschr. 65 (1918), S. 1226)
Zur Psychologie der verbrecherischen Renommiersucht. (Zschr. für die gesamte Neur. u. Psych. 44(1919), 391-435)
Psychopathologisches in der Revolution. Nach einem Vortrag in der Berl. Gesellschaft f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten am 12.5.1919. (Zschr. für die ges. Neurol. u. Psychiatr. 49(1919) 393-408): Warenhausdiebstähle der Jugendlichen und deren Äquivalente. (Zeitschrift der ges. Neurologie u. Psychiatrie 62(1920) 208-221)
Der Inzest. Mit kasuistischen Beobachtungen an Berliner weiblichen Fürsorgezöglingen. (Zschr. für die ges. Neurologie u. Psychiatrie 93(1924), 647-719)
Ein Beitrag zur Materie von der Verhütung unwerten Lebens. (Münch. med. Wschr. 72 (1925), S. 1165-1168)
Weibliche Fürsogezöglinge (Mschr. Dtsch. Ärztinnen 4 (1928), S.228
Weibliche Fürsorgezöglinge, ihre psychologische und psychopathologische Wertung. Berlin 1929
Von Klimakterium, Erotik und Sexualität ( Münch. Med. Wschr. 1929, Nr. 47, S. 1947)
Stellungnahme zur Indikation der künstlichen Schwangerschaftsunterbrechung (Münch. med. Wschr. 77 (1930) II, S. 1496-1498
Gefährdete Jahre im Geschlechtsleben des Weibes. Beobachtungen und Betrachtungen einer Ärztin über die Wechseljahre. München 1931, Rezension Sellheims: Kritische Umschau (Dtsche. med. Wschr. 57 (1931), Nr. 46, S. 1944-1947
Aufklärung und Abklärung. (Münch. med. Wschr. 78(1931), 1263 - 1264)
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