Martha Wygodzinski

Allgemeines

Nachname:
Wygodzinski
Vorname:
Martha
Geburtsdatum:
02.07.1869
Geburtsort:
Berlin
Sterbedatum:
27.02.1943
Sterbeort:
Theresienstadt (KZ)
Beruf des Vaters:
Rentier
Sonstiges:
Vater: Max (eingentl. Meyer Wygodzinski (1834-1909), Mutter: Nanny, geb. Sorauer (1835-1920). Das Ehepaar hatte vier Töchter.
Am 16.11.2001 erhielt M. Wygodzinski in der Alexanderstraße 8 in Berlin einen Gedenkstein, einen sog. "Stolperstein". Hier begründete sie 1911 zus. mit Hermine Heusler Edenhuizen die Neue Poliklinik für Frauen.

Ausbildung

Ausbildung und Schule:
1893 Immatrikulation in Zürich, 1898 Staatsexamen in Zürich, Promotion 1898 in Zürich
danach Studium in Berlin und Halle. Staatsexamen 1901 in Halle
Ort des Staatsexamens:
Halle
Datum des Staatsexamens:
1901
Ort der Promotion:
Zürich
Datum der Promotion:
1898
Datum der Approbation:
1902

Beruf

Fachbezeichnung:
praktische Ärztin (1936)
Art der Tätigkeit:
1902 Vol. Ärztin am Krkhs am Urban
Febr. 1902 - Sept 1938 niedergelassene Ärztin in Berlin
1911- Mai 1912 Mitbegründerin der Poliklinik für Frauen in Berlin
Kassenärztin in Berlin (ab 1902)
Besitzerin u. Leiterin eines Heimes für ledige Mütter und ihre Kinder in Berlin-Pankow, Schönholzerstraße 13
Kommentar zur Tätigkeit:
1899/1900 ruft sie alle ärztlichen Kolleginnen in einem Artikel im Centralblatt des Bundes Deutscher Frauenvereine auf, für die Erlangung der Approbation in Deutschland zu kämpfen.
Sie gehörte zu den acht Berliner Unterzeichnerinnen, die eine Petition an den Bundesrat richteten, um für die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Examina zu kämpfen.
Martha Wygodzinski wurde 1902, nachdem sie die deutsche Approbation erworben hatte, als erstes weibliches Mitglied in die Berliner Medizinische Gesellschaft und im selben Jahr auch in den Berliner Verein der freigewählten Kassenärzte aufgenommen.
Sie war stark in der Gesundheitspolitik u. kommunalen Wohlfahrtspflege engagiert.
Sie war Kassenärztin bei der "Ortskrankenkasse der Gastwirte" und seit August 1902 beim "Kaufmännischen und gewerblichen Hilfsverein für weibliche Angestellte".
Als sozialdemokratische Kassenärztin führte sie 1902 einen brieflichen Streit mit einem männlichen Kollegen im "Vorwärts" über den Vertragsentwurf der Berliner Ortskrankenkasse der Gastwirte.
Zusammen mit H. Edenhuizen gründete sie im Frühjahr 1911 die neue Poliklinik für Frauen, (Alexanderstr. 8, ab April 1913: Kaiserstr. 34), die ab Mai 1912 von H. Edenhuizen und A. Bieber weitergeführt wurde.
Auf einer Kundgebung zum Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten im Oktober 1926 trat sie neben Juristinnen, Nationalökonominnen und Philologinnen als Rednerin auf. Über die Einstellung der Ärztin zur Schwangerschaftsunterbrechung sprach sie auf der Fachkonferenz des BdÄ am 6. und 7.12.1930 in Naumburg.
Die an den Reichstag u. den Strafrechtsausschuß gerichtete Erklärung zur Änderung des § 218 für die 2. Lesung des Strafgesetzentwurfs unterzeichnete Martha Wygodzinski nicht, da sie nicht in allen Punkten einverstanden war. Ihre Position als sozialistische Ärztin legte sie in dem Artikel "Zur Frage der Schwangerschaftsunterbrechung " in der Mschr. Dtsch. Ärztinnen dar: Sie spricht sich darin gegen die Freigabe der Abtreibung aus, jedoch für die Freiheit des Arztes bei der Indikationsstellung und für die Straffreiheit der Mütter. Sie fordert strafrechtliche Verfolgung von Pfuschern und gewinnsüchtigen Ärzten.
1919 wurde sie Berliner Stadtverordnete. In der Gesundheitspolitik und in kommunaler Wohlfahrtspflege war Martha Wygodzinski seit dieser Zeit auch als Mitglied der SPD und des sozialhygienischen Ausschusses der für Groß-Berlin zuständigen Hauptgesundheits-Deputation aktiv. Im Mai 1919 forderte sie ein "Pflegeamt" für die weiblichen Prostituierten. Die "Sittenpolizei" sollte durch eine "Gesundheitspolizei" ersetzt werden.
1927 Wahl in die Berliner Ärztekammer als Vertreterin der "Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Ärzte", wurde in die Ärztekammer gewählt
Neben ihrer umfangreichen beruflichen und Vereinstätigkeit gründete sie in Berlin-Pankow ein eigenes Heim für ledige Mütter und ihre Kinder, das sie viele Jahre auch selber leitete.
Im Bereich der Standespolitik äußerte sie sich in einem Referat auf einer Mitgliederversammlung des BdÄ am 17.9.1931 zu dem Thema "Bekämpfung des Kurpfuschertums".
Tätigkeitsorte:
1902 - 1938: Berlin, dort:
Schönhauser Allee 9 (1903, 1905)
Poliklinik für Frauen in Berlin (1911- Mai 1912), Monbijouplatz 10 (1912-1931)
Konstanzer Str. 51 (ab Sept. 1931, 1932, 1937, 1938)
Brandenburgische Straße 45 (1941)
Kantstraße 47 (letzte bekannte Anschrift)
Haupttätigkeitsort:
Berlin
Veränderungen nach 1933:
Jüdin nach dem Gesetz vom 07.04.1933. Obwohl "nichtarische Ärztin" wurde ihr 1933 die Kassenzulassung zunächst nicht entzogen, da sie sich schon vor dem 01.08.1914 niedergelassen hatte. Bis 1936 konnte sie als Kassenärztin für jüdische Patienten arbeiten.
30.09.1938 Approbationsentzug.
Deportation mit dem 18. Alterstransport vom 09.07.1942 nach Theresienstadt.
Mitgliedschaften:
Verein freigewählter Kassenärzte (seit 1902)
Verein f. innere Medizin u. Kinderheilkunde in Berlin (seit 1902)
Verein zur Einführung freier Arztwahl
Bund Deutscher Ärztinnen (BdÄ), (Ausschuß zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (1928)
Verein Krankenhaus weiblicher Ärzte e. V. (Schriftführerin der Krankenpflegekommission (1914)
Ärztekammer (Arbeitsausschuß, Ausschuß Fürsorgewesen, Ausschuß "Bau eines Ärztehauses" für die Ärztekammer 1928, Kandidatin für die Ärztekammerwahlen 1931)
Groß-Berliner Ärztebund
Verein sozialistischer Ärzte (1925 als stellvertretende Kandidatin für den Ausschuß des Groß-Berliner-Ärztebundes gewählt 1932)
SPD-Mitglied seit 1914 (Kandidatin für die Stadtverordnetenwahlen in Berlin 1929)
Berliner Medizinische Gesellschaft (1902 erstes weibliches Mitglied)
Ärztekammer Berlin (1928)
Hauptgesundheits-Deputation für Groß-Berlin
BdÄ (Ausschuß zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten 1928) (Sozialhygienischer Ausschuß 1927) (Ausschuß für hygienische Volksbelehrung 1932, darin Vorsitzende)

Literatur

Quellen und Sekundärlitertur

Quellen:
Jahresverz. d. a. d. dtsch. Univ. ersch. Schriften 1898
Centralblatt d. Bundes Dtsch. Frauenvereine 1(1899/1900), S. 177-178
Frauenbewegung 7 (1901), S. 69-70
Verh. d. Berl. Med. Ges. a. d. Gesellschaftsjahr 1902, Berlin 1903, Bd. 33, Mitgliederliste
Verhandl. d. Vereins f. innere Med. u. Kinderhk. in Berlin, Leipzig 1904, Mitgliederverz.
RMK 1905, 1919, 1928, 1933, 1937
Die Frau 20(1912/13), S. 623
Jahrb. v. Krkhs. weibl. Ärzte e. V. , 1914, S. 2
Verh. d. Berl. med. Gesellschaft (1918), Bd. XLIX, S. LXI, (1931), Bd. LXII, o. S.
Vjschr. d. BdÄ 1(1924), S. 5
Berl. Ärzte-Corr. 32(1927), 424, 508
Mschr. Dtsch. Ärztinnen 4(1928), S. 15, 35, 6(1930), S. 259
Münch. med. Wschr. 75 (1928), S. 1059 - 1060
Amtsbuch der Stadt Berlin 1928, S. 27
Soz. Arzt (1927), S. 58, (1929), S. 36
Ärztebl. (1930), S. 243, 303, (1931), S. 87
Ärztin 8(1932), S. 182, 281
Ärztebl. Berlin 1931, S. 368, 371, 37(1932), S. 43
Verzeichnis der jüdischen Kassenärzte Groß-Berlins 1936. Berlin 1936, S. 46
Verzeichnis jüdischer Ärzte in der Reichshauptstadt, 1937
Ärztebl. f. Berlin u. Kurmark 43(1938), 620
Frankenthal, K. 1981, S. 319
Gedenkbuch 1986, Bd. 2, S. 1634
Mettler, M., 1991, S. 75
Gemkow, Ärztinnen und Studentinnen, 1991, S. 353
Ziegeler, Weibliche Ärzte, 1993, S. 12, 69, 70, 83-85, 88
Mohme, Medizinische Reform, Diss. med. 1996, S. 52-53, 57, 68-69
Weder, Heinrich: Sozialhygiene und pragmatische Gesundheitspolitik in der Weimarer Republik am Beispiel des Sozial- und Gewerbehygienikers Benno Chajes (1880-1938). (Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Heft 87), Husum: 2000
Peters, Dietlinde: Dr. med. Martha Wygodzinski (1869-1943). Vortrag, gehalten am 12.3.2002 im Rathaus Mitte von Berlin. Mschr.

Eigene Publikationen

Publikationen:
Beitrag zur Histologie des "malignen Deciduoms". Zürich, Med. Diss. v. 1898
Die deutschen Ärztinnen und die medizinische Gesellschaft (Centralblatt d. Bundes Dtsch. Frauenvereine 1(1899/1900), S. 177-178)
Aufhebung des Abtreibungsparagraphen? (Berl. Ärzte-Korrespondenz 1920, S. 214 ff. (zit. nach Zschr. f. ärztl. Fortbildung 1920, S. 714
Gedanken zur Kassenarztfrage (Vjschr. d. BdÄ 1(1924), S. 5)
Zur Frage der Schwangerschaftsunterbrechung II (Mschr. Dtsch. Ärztinnen 6(1930), S. 183-187)
Zur Bekämpfung des Kurpfuschertums (Ärztin 8(1932), S. 245-251)
Die deutschen Ärztinnen und die medizinische Gesellschaft (Centralblatt des Bundes Dt. Frauenvereine 1(1899/1900), S. 177f.)
Deskriptoren:
§ 218
Approbation im Kaiserreich
BDÄ (Bund Deutscher Ärztinnen)
Gesundheitsaufklärung
jüdische Abstammung
Klinik weiblicher Ärzte (o.ä.)
nur Schweizerische Approbation
Öff. Gesundheitswesen
Sexualaufklärung
sozialpol. Engagement
SPD
Standespolitik
VsÄ (Verein sozialistischer Ärzte)